Darum geht es beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)
Sie haben eine Reha gemacht, waren länger oder mehrfach krank? Plötzlich bekommen Sie Post und halten einen Brief Ihres Arbeitgebers in Händen: Sie werden eingeladen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement. Interessant. Und was genau ist das?
Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements – kurz BEM – ist seit 2004 verpflichtend für Arbeitgeber, um die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers zu überwinden oder dieser vorzubeugen. Der gesetzlichen Regelung in §167 Abs. 2 SGB IX folgend, muss der Arbeitgeber allen Mitarbeitern, die im Lauf von zwölf Monaten länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, ein betriebliches Eingliederungsmanagement anbieten. Aus diesem Grund sollte oder wird in der Regel in der zuständigen Personalabteilung mit Hilfe der Auswertung der Krankenstände entschieden, ob ein betriebliches Eingliederungsmanagement angeboten werden muss. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Erkrankung immer dieselbe war oder nicht. Auch Reha-Zeiträume zählen zu den gesamten sechs Wochen dazu.
Ablauf von betrieblichem Eingliederungsmanagement – „die ordnungsgemäße Ladung“
Wie genau ein betriebliches Eingliederungsmanagement ablaufen soll, ist nicht festgelegt. Jeder Arbeitgeber ist angehalten, ein möglichst strukturiertes Vorgehen für den eigenen Betrieb zu finden. Wichtig ist in jedem Fall die sogenannte ordnungsgemäße Ladung. Das bedeutet, der Arbeitnehmer muss vom Arbeitgeber eine Einladung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement erhalten, die die Regelungen aus dem §167 Abs. 2 SBG IX einhält. Das beinhaltet nicht nur den Hinweis auf das betriebliche Eingliederungsmanagement und das Angebot eines Gesprächstermins. Außerdem müssen klare Hinweise gegeben werden, was mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement bezweckt wird, welche Daten für welchen Zweck erhoben werden, und welche Datenschutzregeln gelten.
Beim Erstgespräch, zu dem der Betroffene eingeladen wird, ist in jedem Fall ein Vertreter des Arbeitsgebers, meistens aus der Personalstelle, dabei und – soweit im Betrieb vorhanden – ein Mitglied des Betriebsrats. Der Betriebsrat ist auch ohne Zustimmung des Betroffenen zu informieren. Bei Schwerbehinderten muss zusätzlich die Schwerbehindertenvertretung dabei sein. Je nach Fall und auf Wunsch des Arbeitnehmers können folgende Personen zusätzlich dazukommen: ein Amts- oder Betriebsarzt, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit oder Vertreter der Krankenkasse oder Rentenversicherung.
Der Arbeitnehmer entscheidet selbst, ob er der Einladung zum Gespräch folgen möchte oder nicht. Eine Zu- oder Absage ist formlos möglich. Während nämlich der Arbeitgeber die Pflicht hat, den Betroffenen ordnungsgemäß einzuladen, ist das betriebliche Eingliederungsmanagement für den Arbeitnehmer freiwillig.
Welche Maßnahmen kommen in Frage?
Im Gespräch selbst können alle Beteiligten Vorschläge einbringen, wie die Situation am Arbeitsplatz verbessert werden kann. Eine Arbeitsplatzbegehung kann hier unter Umständen sehr hilfreich sein. Eine erneute (dauerhafte) Erkrankung soll durch verschiedene Maßnahmen verhindert werden. Eine solche Maßnahme kann zum Beispiel die Umgestaltung des Arbeitsplatzes sein. Vielleicht braucht der Betroffene einen höhenverstellbaren Schreibtisch, andere ergonomisch besser eingestellte Möbel oder einen Arbeitsplatz in einem Einzel- statt in einem Großraumbüro. Es kann auch eine Unterstützung sein, wenn der Betroffene innerhalb des Betriebs eine andere Position bekommt. Vielleicht ist eine Tätigkeit mit hoher körperlicher Belastung nicht mehr möglich, dafür aber leichtere Arbeiten im Büro. Oder die Bildschirmarbeit ist schwierig geworden, daher erscheint die Arbeit im Freien besser. Weitere Möglichkeiten wären beispielsweise die Verringerung der Arbeitszeit, die Qualifizierung für einen anderen Arbeitsplatz oder auch die Umsetzung auf einen Arbeitsplatz ohne Schichtdienst.
Das sogenannte „Hamburger Modell“ kann auch eine Maßnahme im betrieblichen Eingliederungsmanagement sein. Es bleibt aber immer eine Maßnahme und kann das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht ersetzen. Beim „Hamburger Modell“ geht es um die langsame Wiedereingliederung in den Betrieb, in Rücksprache mit Ärzten. Am Anfang kann es sein, dass man nur zwei Stunden am Tag zu Arbeit kommt, und sich dann nach und nach steigert.
Eine weitere mögliche Maßnahme kann auch die Unterstützung bei speziellen Behandlungsmaßnahmen sein. Möglicherweise benötigt der Betroffene eine besondere Therapie, die nur zu bestimmten Uhrzeiten angeboten wird. Der Arbeitgeber kann unterstützen und ihn für die Zeit freistellen. Oder der Arbeitgeber gibt Zuschüsse zu sportlicher Betätigung. Die Möglichkeiten sind vielseitig und müssen offen und objektiv im Gespräch diskutiert werden. Diese Mindestanforderungen ergeben sich nicht nur aus dem §167 Abs. 2 SGB IX, sondern auch durch Urteile des Bundesarbeitsgerichtes, z.B. Urteil vom 10.12.2009, Aktenzeichen 2 AZR 198/09.
Am Ende des Gesprächs sollen Maßnahmen festgelegt und umgesetzt werden.
Ist eine Entbindung der Ärzte von ihrer Schweigepflicht nötig?
Wichtig: eine Verpflichtung zur Entbindung der Schweigepflicht der eigenen Ärzte besteht nicht! Unter Umständen kann es hilfreich sein, wenn Informationen zur Erkrankung bekannt werden. Einige Maßnahmen können dann spezifischer gestaltet werden. Aber der Arbeitnehmer entscheidet selbst, welche Daten er offenlegt. Hier besteht ein besonderer Datenschutz, weil es sich bei medizinischen Daten um besondere persönliche Daten handelt, die nicht ohne weiteres vom Arbeitgeber verarbeitet werden dürfen. Diese medizinischen Daten dürfen folglich auch nicht in der Personalakte gespeichert werden.
Beendet ist ein betriebliches Eingliederungsmanagement, wenn der Arbeitnehmer dauerhaft weniger als sechs Wochen innerhalb eines Jahres wegen Krankheit arbeitsunfähig ist; wenn die Teilnehmer gemeinsam gegebenenfalls der Arbeitnehmer allein das Ende beschließen; oder wenn das Arbeitsverhältnis beendet wird.
Betriebliches Eingliederungsmanagement und Kündigung
Der Arbeitgeber darf darauf hinweisen, dass durch Fehlzeiten – auch wegen Krankheit – die Möglichkeit besteht, gekündigt zu werden. Inwiefern eine solche Kündigung wirksam ist, ist selbstverständlich zu klären und benötigt bestimmte Voraussetzungen. Der Hinweis selbst ist aber zulässig.
In der gängigen Rechtsprechung wird das betriebliche Eingliederungsmanagement regelmäßig in Prozessen wegen krankheitsbedingter Kündigung herangezogen. Eine solche Kündigung ist vor allem dann unwirksam, wenn es mildere Mittel im Vergleich zur Kündigung gegeben hätte – wie das betriebliche Eingliederungsmanagement (vergleiche z.B. Urteil vom 29.05.2018 des LAG Hamm 7. Kammer, Aktenzeichen 7 Sa 48/18)
Wenn der Arbeitnehmer selbst aber das betriebliche Eingliederungsmanagement ablehnt, kann er sich in einem Rechtsstreit zur krankheitsbedingten Kündigung nicht auf die möglichen milderen Mittel berufen.
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