Wenn das Zeitgefühl zu wünschen übrig lässt
Vertraglich festgelegte Arbeitszeiten sind kein vager Richtwert, sondern vom Arbeitnehmer dringend einzuhalten. Wer heimlich an der Uhr dreht, um bei vollem Lohn weniger zu arbeiten, muss unter Umständen mit der Kündigung rechnen. Welche Formen von Arbeitszeitbetrug es gibt und was die deutsche Rechtsprechung dazu sagt, erfahren Sie hier.
Was ist Arbeitszeitbetrug?
Von Arbeitszeitbetrug spricht man, wenn der Beschäftigte vorsätzlich und ohne Genehmigung des Arbeitgebers weniger Arbeitsstunden leistet als vertraglich vereinbart. Diese schwerwiegende Vernachlässigung arbeitsvertraglicher Pflichten kann auf ganz unterschiedliche Art und Weise begangen werden.
Grundsätzlich spielt es dabei keine Rolle, ob der Betroffene die vermeintlich geleistete Arbeitszeit in einer Excel-Tabelle fehlerhaft dokumentiert, Zeiterfassungssysteme wie Stempeluhren austrickst oder gegenüber dem Chef mündlich Falschangaben zu seinem Arbeitspensum macht. Selbstverständlich gelten im Homeoffice und im Außendienst – auch wenn die Einhaltung für den Arbeitgeber deutlich schwieriger zu kontrollieren ist – die gleichen Regeln.
Die üblichen Verdächtigen
Typische Fälle von Arbeitszeitbetrug sind das Unterlassen des Ausstempelns zur Mittagspause, die Wahrnehmung eines privaten Termins während der Arbeitszeit oder unwahre Angaben über vermeintlich geleistete Überstunden. Auch wer regelmäßig zu spät kommt oder vor dem offiziellen Feierabend die Biege macht, kann arbeitsrechtlich belangt werden. Genauso können private Telefonate oder das Surfen im Internet den Tatbestand eines Arbeitszeitbetrugs erfüllen.
Abgrenzung zu Arbeitszeitverstößen
Nicht immer jedoch ist in der konkreten Situation von Vorsatz auszugehen. Wer morgens nicht pünktlich ist, weil die Bahn Verspätung hatte, muss nicht gleich damit rechnen, abgemahnt oder gekündigt zu werden. Hier liegt in der Regel keine Betrugsabsicht vor, sondern ein unverschuldeter Arbeitszeitverstoß. Im Zweifel meldet man den Grund seinem Vorgesetzten und arbeitet die verpassten Stunden bei Gelegenheit einfach nach.
Auch der Gang in die Kaffeeküche – inklusive eines kurzen Plauschs mit den Kollegen – wird in vielen Firmen nicht als Arbeitszeitbetrug gesehen. Raucher hingegen sollten vorsichtiger sein. Wer permanent vor die Tür tritt, um sich eine Zigarette zu gönnen, sollte vorher die Stempeluhr bedienen.
Arbeitsrechtliche Konsequenzen
Je nach Grad der Verfehlung muss der Mitarbeiter bei Aufdeckung seines Arbeitszeitbetrugs mit einer Abmahnung oder Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen rechnen. Die Abmahnung ist wie ein Schuss vor den Bug und soll den Beschäftigten daran erinnern, das Fehlverhalten nicht zu wiederholen. Hat jedoch das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus Sicht des Unternehmens zu stark gelitten, ist eine ordentliche oder sogar außerordentliche, fristlose Kündigung möglich. Das kann der Fall sein, wenn es sich um einen Wiederholungstäter handelt oder der Arbeitszeitbetrug in großem Stil betrieben wurde. Auch die Höhe des wirtschaftlichen Schadens für das Unternehmen ist ein wichtiger Faktor.
Beweispflicht liegt beim Arbeitgeber
Allerdings steht der Arbeitgeber in der Pflicht, das Fehlverhalten zweifelsfrei nachzuweisen. Damit die Mitarbeiterentlassung auch vor Gericht Bestand hat, bräuchte es Beweise wie Zeugenaussagen oder Dokumente in Form von falsch ausgefüllten Zeiterfassungsbögen. Auch Videoüberwachungsaufnahmen können – wenn sie in Sachen Datenschutz rechtlich abgesichert sind – zur Überführung des Arbeitszeitbetrügers beitragen.
Beispiele aus der Rechtsprechung
In Bezug auf Raucherpausen hat unter anderem das Landesarbeitsgericht (LAG) Thüringen am 03. Mai 2022 ein Urteil (1 Sa 18/21) gefällt. Hier bestätigten die Richter die ordentliche Kündigung einer Arbeitnehmerin mit der Begründung, dass die wiederholte Verweigerung des Abstempelns der Raucherpausen ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht und damit ein schwerwiegender Vertrauensbruch sei.
Auch das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat in seinem Urteil (5 Sa 128/22) vom 28. März 2023 pro Arbeitgeber entschieden. Hier reichte dem Gericht „der dringende Verdacht einer fehlerhaften Arbeitszeiterfassung“, um eine fristlose Kündigung ohne Abmahnung auszusprechen. Der Angestellte eines Jobcenters hatte sich mutmaßlich von zu Hause aus schon vor Arbeitsantritt im Zeiterfassungssystem des Unternehmens eingebucht.
In einem anderen Fall jedoch bekam der Arbeitnehmer in Person eines Betriebsratsvorsitzenden recht. Dieser wurde von seiner Arbeitgeberin mithilfe einer Detektei heimlich observiert, um den möglichen Arbeitszeitbetrug nachzuweisen. Als der Betriebsratsvorsitzende davon Wind bekam, erhob er Klage gegen den Überwachungsvorgang.
Schließlich stellte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 24. April 2017 nicht nur fest, dass kein Arbeitszeitbetrug nachgewiesen werden konnte, sondern verurteilte den Arbeitgeber sogar zu einer Geldentschädigung in Höhe von 10.000 Euro. Laut Urteil (5 Sa 449/16) sah das Gericht eine schwerwiegende Persönlichkeitsverletzung des Mitarbeiters, die sich insbesondere aufgrund der 20-tägigen Dauer der Observation ergeben hätte.
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