Auch ein im Urlaub ausgestelltes Attest ist nicht über jeden Zweifel erhaben
Wenn sich direkt an den Urlaub eine Krankschreibung anschließt, sieht das aus der Perspektive des Arbeitgebers im Zweifel verdächtig aus. Doch darf deshalb dem vorliegenden Attest die Berechtigung und in der Folge auch der Lohn entzogen werden? Unter gewissen Umständen schon, so die Richter des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in ihrem Urteil vom 15. Januar 2025 (Aktenzeichen: 5 AZR 284/24).

Wenn der Ischias im Urlaub zwickt
Ein Lagerarbeiter aus Bayern verbrachte seinen Sommerurlaub vom 22. August bis zum 9. September in Tunesien. Von dort aus erreichte dessen Arbeitgeber am 7. September die von einem tunesischen Arzt ausgestellte Krankschreibung. Darin war auch der Hinweis auf die Reiseunfähigkeit seines Patienten bis zum 30. September enthalten. Laut Attest lägen „schwere Ischialbeschwerden im engen Lendenwirbelsäulenkanal“ vor.
Ein erschlichenes Attest?
Das Pikante daran: Der Betroffene hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach ausländische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kurz vor der Abreise ausstellen lassen. Spätestens diesmal wurde der Arbeitgeber stutzig und erkannte das Attest nicht an. Als Konsequenz daraus verweigerte das Unternehmen die Lohnfortzahlung für den gesamten September.
Der Lagerarbeiter ging daraufhin vor Gericht. Während das Landesarbeitsgericht (LAG) München nach vorinstanzlicher Ablehnung der Klage durch das Arbeitsgericht (ArbG) pro Kläger entschied, sah das Bundesarbeitsgericht in Erfurt den Fall in einem anderen Licht.
Landesarbeitsgericht straft Wiederholungstäter ab
Dass der Mann bereits zum vierten Mal Krankschreibungen aus dem Urlaub heraus vorgelegt hatte, ließ bei den Richtern des BAG „ernsthafte Zweifel am Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung“ aufkommen. Zudem sei zu berücksichtigen, „dass der tunesische Arzt dem Kläger für 24 Tage Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, ohne eine Wiedervorstellung anzuordnen.“ Darüber hinaus habe der Krankgeschriebene nach Attestierung der Reiseunfähigkeit direkt eine Fähre für die Rückreise gebucht, ohne den Verlauf der attestierten Erkrankung abzuwarten.
Rechtlich gebotene Gesamtwürdigung
Die vorinstanzliche Entscheidung jedoch habe „bei der Würdigung der von der Beklagten zur Begründung ihrer Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit vorgetragenen tatsächlichen Umstände nur jeden einzelnen Aspekt isoliert betrachtet und die rechtlich gebotene Gesamtwürdigung unterlassen.“
Das BAG verwies den Fall daher zurück an das LAG. Hier soll dem Arbeitnehmer die Gelegenheit gegeben werden, weitere Beweise für seine Erkrankung vorzubringen, um so seinen Anspruch auf die Zahlung des ausstehenden Lohns gemäß § 3 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) untermauern zu können.
Krankschreibungen nicht unantastbar
Wie bereits mehrere Arbeitsgerichte in 2024 auch für in Deutschland ausgestellte Krankschreibungen entschieden haben, kann ein Attest vom Arzt seinen Wert verlieren, wenn dessen Glaubwürdigkeit fraglich ist. Dafür muss jedoch ein begründeter Verdacht bestehen, da von einer Krankschreibung grundsätzlich eine starke Wirkung ausgeht. Ein solch hoher Beweiswert ist laut BAG auch für Atteste aus dem Nicht-EU-Ausland weiterhin anzuerkennen, solange die zugrundeliegenden Feststellungsmaßstäbe mit deutschem Recht vereinbar sind.
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Quelle: bundesarbeitsgericht.de