Landesarbeitsgericht Hamm hält Kündigung auch bei indirekter Beleidigung für gerechtfertigt
Auch die Meinungsfreiheit ist nicht grenzenlos. Wer seinen Chef als „Hurensohn“ bezeichnet und ihm sogar „den Kopf abschneiden“ will, muss mit einer fristlosen Kündigung rechnen. So hat das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) in einem Fall (Aktenzeichen 8 Sa 365/22) entschieden.
Aggressive Vorgeschichte
Ein als Packer und Kommissionierer angestellter Mitarbeiter eines Unternehmens aus der Elektroindustrie war schon mehrfach durch Beleidigungen seines Schichtleiters aufgefallen und daher bereits abgemahnt. Im September 2021 geriet der Mann erneut an seinen unmittelbaren Vorgesetzten sowie an seinen Schichtleiter, da diese ihn aufforderten, die ihm zugewiesene Tätigkeit im Hochregallager zu verrichten.
Daraufhin bezeichnete der Packer den Vorgesetzten und den Schichtleiter als „Polenmafia“ und „schlechte Menschen“. Im später stattfindenden Gespräch mit einem Kollegen, betitelte er seinen direkten Vorgesetzten zudem als „Hurensohn“, dem er „den Kopf abschneiden“ wolle. Der Kollege informierte noch am selben Tag den Schichtleiter über die verbale Entgleisung.
Der Gang vor Gericht
Nach eigener Anhörung und Betriebsratsanhörung bekam der Mitarbeiter die fristlose und hilfsweise fristgerechte Kündigung. Im Zuge seiner Klage vor dem Arbeitsgericht Iserlohn berief er sich angesichts der ihm gemachten Vorwürfe und der Kündigung auf die Meinungsfreiheit sowie auf ein vertrauliches Vier-Augen-Gespräch, das er mit seinem Kollegen geführt habe. Doch das Arbeitsgericht wies die Klage am 2. März 2022 ab, weshalb der Kläger Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm einlegte.
Meinungsfreiheit ist kein Freibrief für Beleidigungen
Die Richter des LAG wiesen die Berufung des Klägers zurück und begründeten ihr Urteil vom 04. Juli 2022 damit, dass die von dem Arbeitnehmer getätigten Aussagen einen grob ehrverletzenden, diffamierenden Charakter hätten. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schütze daher nicht vor einer fristlosen Kündigung. So wären Schmähkritik und Formalbeleidigungen am Arbeitsplatz vom Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG nicht umfasst.
Vertraulichkeit hat Grenzen
Auch die Vertraulichkeit eines Gesprächs könne in diesem Fall nicht als Entlastung für den betroffenen Angestellten herhalten, da dieser nach den Umständen und dem Inhalt des Gesprächs nicht damit rechnen könne, dass dieses als vertraulich eingeordnet und behandelt wird. So habe das Vier-Augen-Gespräch nicht in einem besonders geschützten Kontext stattgefunden, sondern während der Arbeitszeit gegenüber einem Kollegen, zu dem kein besonderes Näheverhältnis bestanden hätte.
Zudem könnte die Aussage des Betroffenen, dass er seinem Vorgesetzten den Kopf abschneiden wolle, auch als ernste Androhung massiver körperlich Gewalt aufgefasst werden, bei der man sich denken könne, dass der Kollege dies zum Schutz seines Vorgesetzten nicht für sich behält.
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Quelle: justiz.nrw.de